Vorsicht! Hier unten ist der Rumpelkeller, da herrscht ein ziemliches Durcheinander. Dort sind einige wichtige Theorien, Vorstellungen und Überzeugungen in verstaubten Büchern abgestellt, die unsere Vorfahren vor allem hier in Europa auf ihrer Suche nach dem gefunden hatten, worauf es im Leben ankommt und wie wir Menschen und die Welt in der wir leben beschaffen sind. Es waren Vorstellungen, mit deren Hilfe es möglich wurde, die beobachtbaren Phänomene zu erklären und einzuordnen. Als gedankliche Lösungen hatten sie eine Kohärenz-stiftende Bedeutung für jeden Einzelnen, wie auch für die Gemeinschaft all jener, die diese Überzeugungen teilten.
Manche dieser Theorien waren dafür angesichts der jeweils herrschenden Bedingungen besonders gut geeignet. Sie wurden verbreitet, in Schulen und Universitäten gelehrt, von sehr vielen Menschen in ihr jeweiliges Selbstbild, Menschenbild und Weltbild integriert und zum Maßstab ihres Handelns gemacht. Als wichtige Orientierungshilfen sind sie verinnerlicht und als eigene Überzeugungen an nachfolgende Generationen weitergegeben worden.
Aus Platzgründen und um das Chaos in unserem Rumpelkeller einigermaßen in Grenzen zu halten, beschränkt sich die hier unten eingelagerte Sammlung auf solche Vorstellungen und Theorien, von deren Gültigkeit sehr viele Menschen auch noch heute, in unserer modernen, aufgeklärten Welt überzeugt sind. Sie bilden gewissermaßen die jüngsten Glieder einer langen Kette von Ideen und Überzeugungen, die Menschen im Verlauf ihrer Geschichte als Erklärungen der von ihnen beobachteten Phänomene als Begründungen oder auch Rechtfertigungen für ihr Handeln genutzt haben. Alle Orientierung-bietenden, Kohärenz-stiftenden Vorstellungen sind von besonders einflussreichen Mitgliedern früher menschlicher Gemeinschaften verbreitet worden. Anfangs wohl von sogenannten Schamanen, später von den Priestern der verschiedenen Glaubensgemeinschaften.
Dann waren es vor allem Wissenschaftler, die aus ihren Beobachtungen und Analysen allgemeingültige Vorstellungen ableiteten. Aus den von Ihnen untersuchten natürlichen Phänomene wurden Naturgesetze und auch sehr grundsätzliche Vorstellungen über die Natur des Menschen, seine Bestrebungen und seine Rolle in der Welt abgeleitet.
Bis heute werden manche dieser Vorstellungen immer noch in Schulen unterrichtet, an Universitäten gelehrt, in Büchern und Zeitschriften abgedruckt, über klassische und digitale Medien verbreitet und im Internet für alle, überall und jederzeit abrufbar bereitgestellt. Wer solche Stichworte wie „natürliche Auslese“, „Wettbewerb“, „genetische Veranlagung“, „Prägung“, „Krankheit“ oder „Gesundheit“ in die Suchmaschinen des World Wide Web eingibt, kann sofort nachlesen oder sich von einem Automaten vorlesen lassen, was die Programmierer dazu eingespeichert haben oder was ein lernfähiges Computerprogramm, als „Arteficial Intelligence“ aus all dem herausgefiltert hat, was bisher weltweit dazu verbreitet worden ist. Beispielsweise, dass es ohne Wettbewerb keinen Fortschritt gäbe, dass Intelligenz genetisch veranlagt sei, oder dass Menschen zu ihrem „Glück“ gezwungen werden müssten und sie ohne Druck keine Leistung erbrächten.
Entscheidend ist dabei nicht, ob derartige Vorstellungen zutreffend sind, sondern ob es genügend Menschen gibt, die sie als zutreffend erachten, also daran glauben, dass sie wahr sind.
Also: geh einfach mal runter und schau Dich um…
